Ambulanter Entzug
- Ambulante Entzugsbehandlungen können in der Hausarztpraxis, in der Suchtambulanz oder auf der Suchtfachstelle als niederschwellige Angebote erfolgreich und kostengünstig angeboten werden
- Der Entzugsphase schliesst sich in der Regel eine länger dauernde Entwöhnungsphase, welche im ambulanten oder stationären Setting durchgeführt werden kann, an
- Bei der Durchführung der ambulanten Entzugs- und Entwöhnungsbehandlung ist eine Zusammenarbeit von Hausarztpraxis, Suchtmedizin und Suchtfachstelle von Vorteil, insbesondere in Anbetracht der häufig beobachteten körperlichen und psychischen Komorbidität
- Für die Durchführung der ambulanten Entzugsbehandlung sollten auf Seiten der Behandelnden folgende Bedingungen erfüllt sein
- Kenntnisse in der Behandlung von Alkoholentzügen
- Möglichkeit für engmaschige (am besten tägliche) Kontrollen für die Dauer des körperlichen Entzuges (ca. 5-7 Tage ggf. länger, orientiert an der Schwere der Entzugserscheinungen sowie der Folge- und Begleiterkrankungen)
- Sicherstellung einer 24h Erreichbarkeit eines Notfalldienstes
- Auf Seite der Betroffenen sollten die Motivation zur aktiven Mitarbeit (Einhalten eines Therapieplanes), die Bereitschaft zur Abstinenz sowie ein unterstützendes soziales Umfeld vorhanden sein
- Mit den Betroffenen können Therapiepläne für etwa eine Woche vereinbart werden. In diesen wird z.B. festgelegt:
- Tägliche Besuche bei der Ärztin oder beim Arzt mit kurzen stabilisierenden Gesprächen, Blutdruck- und Pulskontrolle sowie Einschätzung des körperlichen und psychischen Zustandes
- Kontrollen der Alkoholkonzentration in der Ausatemluft (falls Gerät vorhanden)
- Anpassung der Medikamentendosierung und -abgabe
- Eine Krankschreibung der Betroffenen kann erfolgen, ist aber nicht obligatorisch. Manchmal ist es auch hilfreich, die beruflichen Aktivitäten während der Entzugsphase aufrecht zu erhalten
- Grundsätzlich sollte keine ambulante Entzugsbehandlung erfolgen, wenn eine oder mehrere der folgenden Kontraindikationen vorliegen:
- Hohes Risiko für schwere Entzugssymptome oder Entzugskomplikationen, z.B.
- Entzugsanfall und/oder Entzugsdelir in der Vorgeschichte
- schwere oder multiple somatische Begleit- oder Folgeerkrankungen, z.B. ausgeprägte Organschäden, akute Infektionen, schlecht eingestellter Diabetes mellitus, chronisch obstruktive Lungenerkrankungen, Vorschädigungen des Herzens, reduzierter Allgemeinzustand
- Schwere psychische Begleit- und/oder Folgestörungen, z.B. Demenz, Depressionen, Psychosen, Suizidalität (s. Komorbiditäten)
- Schlechte Rahmenbedingungen für einen ambulanten Entzug, z.B.
- Abwesenheit eines unterstützenden sozialen Netzwerkes
- Belastungen und/oder Konflikte in der unmittelbaren sozialen Umgebung bzw. am Wohnort
- Fehlende bzw. schlecht erreichbare ambulante Therapieangebote in der Region
- Komplikationen bei ambulantem Entzug, z.B. schwere bzw. eskalierende Entzugssymptome, akute Intoxikationen, beginnendes Delir
- Mehrfachabhängigkeiten bzw. positives Drogenscreening für weitere psychotrope Substanzen, insbesondere Benzodiazepine, illegale Substanzen
- Während der Schwangerschaft (Entzug vorzugsweise vor dem dritten Trimester)
- Jugendliche und junge Erwachsene mit Alkoholentzugserscheinungen
- Hohes Risiko für schwere Entzugssymptome oder Entzugskomplikationen, z.B.
Wann Medikamente?
siehe auch Entzug
- Nicht bei allen Betroffenen sind Medikamente während des ambulanten Entzugs notwendig
- Vor allem Betroffene die phasenweise konsumieren und mehrere Tage nicht oder wenig konsumiert haben, weisen in der Regel geringe Entzugssymptome auf
- Bei zu erwartenden milden Entzugsformen sollte dies dem Betroffenen vorher mitgeteilt werden, dass sie sich wahrscheinlich für einige Tage unruhiger oder ängstlicher fühlen werden und Schlafstörungen auftreten können
- Bei Betroffenen mit relevanten körperlichen oder psychischen Erkrankungen sollten Pharmaka allerdings auch bei milden bis moderaten Entzugssymtomen eingesetzt werden
- Grundsätzlich gilt: Der Einsatz von Medikamenten im Entzug erfolgt auf der Grundlage der Einschätzung der körperlichen und psychischen Entzugssymptomatik; hierzu können auch Entzugssyndromskalen, wie die „Alkohol- Entzugssyndrom-Skala oder die CIWA-Ar Skala“ eingesetzt werden
- Um die Entzugssymptome beurteilen zu können, ist insbesondere in den ersten 7 Tagen ein Kontakt in der Sprechstunde notwendig
Wie geht’s weiter nach Abschluss des körperlichen Entzugs?
- Viele Betroffene sind stolz, diesen wichtigen Schritt geschafft zu haben; sie sollten einerseits darin bestärkt werden
- Andererseits ist es wichtig, bereits vor dem Entzugsbeginn darauf hinzuweisen, dass weitere Behandlungsschritte notwendig sind, um den ersten Erfolg auch zu sichern (Entwöhnung/Langzeittherapie)
- Die Inanspruchnahme einer weiterführenden Behandlung in einer Suchtfachstelle und ggf. einer Selbsthilfegruppe (siehe Selbsthilfe) ist sinnvoll, da die Vermittlung von Techniken zum Umgang mit der Abhängigkeitserkrankung (Craving, Alternativen der Stressreduktion, erkennen von Rückfallsituationen und erlernen von alternativen Lösungsstrategien, etc.), häufig die Möglichkeiten des Praxisalltags sprengt
- Zu diskutieren sind medikamentöse Unterstützungshilfen für die Zeit nach dem körperlichen Entzug
- Sollte der ambulante Weg nicht den gewünschten Erfolg bringen, sollte eine weiterführende Behandlung der Abhängigkeit (Entzugs- und Entwöhnungstherapie) in einer stationären Einrichtung erwogen werden