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Fallvignette

Krisenintervention: ambulante oder stationäre Behandlung

Frau Muster meldet sich verzweifelt bei der Ärztin oder beim Arzt. Ihr 14-jähriger Sohn Bernhard hat von der Schule ein Ultimatum bekommen, da er beim Kiffen beobachtet wurde. In einem gemeinsamen Gespräch mit Schulleitung, Ärztin/Arzt und Mutter stellt sich heraus, dass auch der um drei Jahre ältere Bruder von Bernhard exzessiv kifft. Frau Muster selbst ist alleinerziehend und hat kaum Unterstützung. Durch ihre Berufstätigkeit und die Weiterbildung, die sie noch besucht, ist sie oft nicht zu Hause. Beide Buben haben viele Freiräume, aber auch viel Verantwortung. So kocht sich Bernhard sein Mittagessen selbst, während sein Bruder mittags nicht nach Hause kommt und die Wochenenden bei seiner Freundin verbringt, obschon er selber auch noch nicht volljährig ist.

Hier einige Überlegungen und Vorschläge zum Vorgehen:

  • Wie im geschilderten Beispiel sind die Situationen oft komplex und die Problematik ist nicht auf den Cannabiskonsum eingeschränkt. Kompetente Hilfestellung ist gefragt. Die Behandlung kann je nach Problematik sehr zeitaufwendig werden. Als Hausärztin oder Hausarzt können Sie gegebenenfalls die Behandlung ganz oder teilweise an eine geeignete Fachstelle oder eine Fachärztin resp. einen Facharzt übergeben.
    Eine Suchtfachstelle kann Ihnen Auskunft geben über Behandlungsmöglichkeiten.
  • Falls Sie selber die Behandlung übernehmen wollen, hier einige Gedanken und Hinweise zu einem möglichen Vorgehen. (s.a. Motivierende Gesprächsführung):
    • sich einen Überblick verschaffen, wer alles wie an der Problemsituation beteiligt ist
    • wer von den Beteiligten braucht welche Art von Unterstützung?
    • Schuldzuweisungen vermeiden, sondern Beteiligte für gemeinsames Arbeiten an einer Lösung gewinnen
    • für alle Beteiligten (je nachdem unterschiedliche) Ziele vereinbaren
    • Verantwortlichkeiten klären; wer macht was (Eltern/Mutter - Schule - Hausarzt/Beratung - Jugendliche)?
    • Vorgehen auch zeitlich strukturieren; bis wann soll was erreicht sein und von wem ausgewertet werden?
    • allfällige vereinbarte Sanktionen (Ultimatum, Strafarbeiten, Sackgeld, Ausgang usw.) sind klar im Voraus zu regeln und so zu gestalten, dass sie umgesetzt werden können
    • welche weiteren strukturierenden Massnahmen sind für die Jugendlichen noch einzuleiten (Urinproben, Begleitung Hausaufgaben, Kochen, Kontrolle Geld usw.)?
    • sind weitere Abklärungen zu treffen (Kindesschutz, jugendpsychiatrisch u.ä.)?
  • Bezüglich des Cannabiskonsums im engeren Sinne sind folgende Klärungen sinnvoll:
    • Konsummuster, -menge, -frequenz, -setting (allein, Freunde u.a.)
    • liegen bereits schädliche Auswirkungen vor (Gesundheit, Schule, Familie usw.)
    • gibt es weitere Auffälligkeiten (psychische Störungen)?
    • wie ist die Motivation, etwas am Konsum zu ändern?
    • welche Optionen gibt es, den Konsum zu verändern, einzustellen oder Settings, die mit Konsum verbunden sind, zu vermeiden?
    • welchen persönlichen Zielen steht der Cannabiskonsum im Wege?

ambulant oder stationär?

  • Je nach Schweregrad der vorliegenden Problematik bzw. nach Fortschritt der ambulanten Behandlung, sind im Verlauf stationäre Angebote zu prüfen.
  • In der Regel braucht es aufgrund des Cannabiskonsums alleine keinen stationären Entzug. Bei schweren Fällen von Abhängigkeit oder bei Vorliegen einer weiteren psychischen Störung kann dieser jedoch sinnvoll bzw. unumgänglich werden.
  • Ein Vorteil der stationären Angebote gegenüber der ambulanten Behandlung ist, dass Cannabis weniger verfügbar ist und die Kontakte zum konsumierenden Kreis vorübergehend wegfallen.
  • Das Angebot für stationäre Cannabisentzüge ist kantonal sehr unterschiedlich und wird von psychiatrischen Einrichtungen oder solchen der Suchthilfe angeboten. Bei Jugendlichen ist zudem auf eine altersgemässe Behandlungsmöglichkeit zu achten. Entsprechende Angebote können auf www.suchtindex.ch gesucht werden.
  • Wenn die Hauptproblematik sich nicht auf Sucht- bzw. psychiatrische Probleme zentriert, können auch andere Massnahmen erwogen werden (Timeout in Gastfamilie oder sozialpädagogischer Einrichtung u.ä.)
  • Zu prüfen sind auch ein gleichzeitiger Konsumstopp von Tabak und Cannabis. Insgesamt besteht eine erhöhte Prävalenz für einen Cannabiskonsum bei vorrangigem Tabakkonsum im Vergleich zu vorrangiger Tabakabstinenz. Zudem zeigen verschiedene Forschungsergebnisse zu Ausstiegsprogrammen für Tabak bzw. Cannabis, dass sich der Konsum der jeweils anderen Substanz während eines Rauchstopps verstärkt.
  • Für die Indikationsstellung kann die Zusammenarbeit mit einer Suchtfachstelle sinnvoll sein. Auskunft erhalten Sie auch bei helpline.

 

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