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Factsheet für Patientinnen und Patienten über Cannabinoide in der Medizin

 Ihre Ärztin / Ihr Arzt will Sie mit diesem Merkblatt informieren. Sie erfahren hier,

  • wie vorgegangen werden muss, damit Ihre Ärztin / Ihr Arzt eine Behandlung mit Cannabis Arzneimitteln durchführen kann,
  • ob die Behandlung von der Krankenkasse bezahlt wird,
  • welche Nebenwirkungen auftreten können und
  • wie man sich die Wirkung von Cannabispräparaten erklärt, siehe dazu auch den Video von Fundación Canna

Meldeverfahren

  • Ihre Ärztin / Ihr Arzt muss beim Bundesamt für Gesundheit (BAG) seit dem 1.8.2022 keine Bewilligung mehr einholen. Ob ein Behandlungsversuch mit Cannabis Arzneimitteln versucht wird, entscheiden Sie zusammen mit Ihrer Ärztin / Ihrem Arzt. Diese:r muss dem BAG in digitaler Form lediglich einige anonymisierte Angaben zur Therapie machen (Indikation, Darreichungsform, Dosierung, Wirkung und Nebenwirkungen).
  • Die gleichen Angaben müssen nach einem und nach zwei Jahren, bzw. bei Behandlungsende gemacht werden.
  • Falls bei Ihnen eine Betäubungsmittelabhängigkeit vorliegt, muss Ihre Ärztin / Ihr Arzt eine Bewilligung des kantonsärztlichen Dienstes zur Durchführung einer Behandlung mit Cannabis Arzneimitteln einholen.

Kostenübernahme für die Cannabis Arzneimittel

  • Auch wenn jetzt keine Bewilligung durch das BAG verlangt ist, wird Ihre Krankenkasse für Grundversicherte die Kosten sehr wahrscheinlich NICHT übernehmen. Es wird empfohlen, dass Ihre Ärztin / Ihr Arzt bei Ihrer Krankenkasse einen Antrag auf Kostenübernahme stellt. Dies sollte auch gemacht werden, wenn Sie eine Zusatzversicherung haben. Ihre Ärztin / Ihr Arzt kann die Tageskosten abschätzen, die beträchtlich sein können. Durch die sublinguale Anwendung können die Kosten reduziert werden.

Mögliche Nebenwirkungen

(v.a. zu Beginn der Behandlung falls zu schnell eindosiert wird, meist vorübergehend; meist genügt dann eine Dosisreduktion für einige Tage)

  • Benommenheit, Schwindel, Mundtrockenheit, Übelkeit, Kopfweh, Herzrasen, Zunahme des Appetits, gesteigerte Sinnesempfindungen, verschwommenes Sehen, reduzierter oder erhöhter Antrieb, Einschränkung der Fahrtüchtigkeit.
  • Das Risiko einer Cannabis-Suchtentwicklung ist bei medizinisch begründeter und unter Anleitung durchgeführten Anwendung vernachlässigbar.
  • Während einer Schwangerschaft und während der Stillzeit darf Medizinal Cannabis nicht verwendet werden.
  • Die Behandlung mit Medizinal Cannabis kann dazu führen, dass der erlaubte Blut-Grenzwert für THC im Strassenverkehr (1.5 Mikrogramm THC pro Liter Blut) oder im Urin (positiver Schnelltest) überschritten wird. In diesem Fall gilt die Person als fahruntüchtig.

Die Cannabispflanze (Cannabis sativa) 

  • Cannabis enthält etwa 500 Inhaltstoffe, darunter mehr als 150 sogenannte Phytocannabinoide. Dazu gehören das berauschende THC (Tetrahydrocannabinol) und das nicht berauschende CBD (Cannabidiol), die am besten erforscht sind. 
  • Die mengenmässigen Anteile von THC und CBD sind je nach gezüchteter Pflanzensorte (Chemotypen) verschieden. Offenbar spielt es für den Wirkeffekt eine Rolle, in welchem Konzentrationsverhältnis die Phytocannabinoide und andere Inhaltsstoffe (Humulene, Limonene etc.) eingenommen werden (sog. Entourage-Effekt). So scheint es, dass CBD die psychischen Nebenwirkungen von THC abschwächen kann.
  • THC und CBD wirken, wie wahrscheinlich alle Phytocannabinoide, zentral am Gehirn, peripher am Immunsystem und an verschiedenen Organen, wo entsprechende Rezeptoren vorhanden sind.

Wo und wie wirkt Cannabis beim Menschen

  • Der Mensch besitzt ein angeborenes "Endocannabinoid-System".
  • Es besteht aus
    • körpereigenen Cannabinoiden (Endocannabinoide; Liganden, "Stecker"; bis jetzt bekannt sind Anandamid, 2-Arachidonoylglycerol, Noladinether und Virodhamin) und
    • Bindungsstellen (Cannabis-Rezeptoren; "Steckdosen"; bis jetzt bekannt sind CB1 und CB2-Rezeptoren):
      • Die CB1-Rezeptoren befinden sich vor allem im Gehirn (Kleinhirn, Grosshirnrinde, Amygdala, Hirnstamm, Rückenmark, Basalganglien, Hypothalamus, Hippocampus
      • Die CB2-Rezeptoren befinden sich vor allem auf Zellen des Immunsystems, das in der Infektions- und Tumorzell-Abwehr aktiv ist.
    • Wie alle Rezeptoren lassen sich auch diejenigen des Endocannabinoid-Systems durch Transmitter entweder anregen (agonistischer Effekt) oder blockieren (antagonistischer Effekt).
  • Über die funktionelle Bedeutung des Endocannabinoid-Systems ist bisher nur wenig bekannt. Die Verteilung der Rezeptoren deutet bereits eine Reihe möglicher Funktionen an und erklärt die Vielfältigkeit möglicher Wirkmechanismen:
    • die Hirnregionen, in denen der CB1-Rezeptor vorwiegend gefunden wird, spielt eine wichtige Rolle bei der Gedächtnis- sowie Bewegungsregulation. Es liegt die Vermutung nahe, dass Endocannabinoide daher Lern- und Bewegungsprozesse beeinflussen.
    • Es wird vermutet, dass der CB2-Rezeptor eine wichtige Rolle in der Regulation des Immunsystems spielt.
    • Cannabinoide scheinen eine wichtige Rolle bei der Schlaf- und Appetit- Regulation, dem Gedächtnis und bei der Schmerzwahrnehmung zu spielen.
  • Das Vorkommen von Rezeptoren ermöglicht in der Medizin die Suche nach - oder Entwicklung von - gezielten Transmittern, um in gestörte Regulationsabläufe eingreifen zu können (bekanntes Beispiel Beta-Blocker bei raschem Puls oder Bluthochdruck). 
  • Zum jetzigen Zeitpunkt ist noch zu wenig bekannt, welche Mischung verschiedener Cannabisinhaltstoffe optimal wirkt. Bis indikationsspezifische Cannabis-Sorten vorliegen, müssen deshalb eventuell verschiedene Präparate ausprobiert werden.
  • Im Falle einer Anwendung von Sativex zur Behandlung von Spastik bei multipler Sklerose hier der Link zur spezifischen Patienteninformation über Sativex.

 

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