Indikationen / Evidenz
Siehe auch die Empfehlungen der SGCM.
- Als sogenanntes "Cannabis-Dilemma" wird unter den Fachleuten der medizinischen Anwendung von Cannabinoiden der Umstand bezeichnet, dass einerseits aus der Erfahrungsmedizin ein breites therapeutisches Potential erwartet wird (aus theoretischen Überlegungen heraus und durch viele Einzelbeobachtungen an Patientinnen oder Patienten), die Resultate der evidenzbasierten, klinischen Forschung aber nur eine begrenzte oder widersprüchliche Wirksamkeit zeigen. Die insuffiizente Studienlage, erklärt sich durch unpassendes Design oder die Anwendung nicht standardisierter Testlösungen.
- In der Palliativmedizin setzt sich die Ansicht durch, dass bei chronischen Tumorschmerzen, wie auch bei Nicht-Tumorschmerzen, die trotz ausgeschöpfter Schmerzbehandlung nicht ausreichend behandelt sind, ein individueller Behandlungsversuch mit einem oral bzw. sublingual applizierten Cannabis Arzneimittel im Sinne einer Zusatzmedikation mit der Patientin oder dem Patienten besprochen werden sollte.
- Diese Empfehlung basiert oft auf dem Wunsch des Behandlungsteams eine noch so geringe Schmerzlinderung, eine gewisse Verbesserung der körperlichen Funktionen oder von Lebensqualitätsfaktoren wie Schlaf, Krankheitsverarbeitung, Stimmung, Appetit, Entspannung und dies bei geringer Toxizität und geringen Nebenwirkungen.
- Quervergleiche von Studienresultaten sind auch schwierig zu interpretieren, weil sich die verwendeten Präparate bez. die Inhaltsstoffe und deren Dosierung unterscheiden.
- Eine gute Evidenz besteht bei der Behandlung der Spastik bei Multipler Sklerose. Wie für andere Cannabisarzneimittel braucht das Präparat Sativex® für diese Indikation keine BAG Bewilligung, muss aber dem BAG gemeldet werden und mit einem Betäubungsmittelrezept verordnet werden.
Indikation | Evidenz | Referenz |
Spastik bei MS |
Prospektive, randomisierte, doppelblinde, placebokontrollierte, crossover Studie, Cannabisextrakt |
Kompendiums-Text zur Indikation von Sativex®: mittelschwere bis schwere Spastik aufgrund von Multipler Sklerose (MS), die nicht angemessen auf eine andere antispastische Arzneimitteltherapie angesprochen haben und die eine klinisch erhebliche Verbesserung von mit der Spastik verbundenen Symptomen während eines Anfangstherapieversuchs aufzeigen.
Für alle anderen Präparate sowie für Sativex® mit anderer als der obigen Indikation braucht es seit dem 1.8.2022 keine BAG-Bewilligung mehr.
Indikation | Evidenz1 | Referenz2 |
Chronische Schmerzen Muskelkrämpfe |
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Übelkeit / Erbrechen bei Chemotherapie |
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Penny F. Whiting, Cannabinoids for Medical Use, a systematic review and meta-analysis JAMA. 2015;313(24):2456-2473 |
Inappetenz bei HIV-Infektion |
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Penny F. Whiting, Cannabinoids for Medical Use, a systematic review and meta-analysis JAMA. 2015;313(24):2456-2473 |
Schlafstörungen |
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Penny F. Whiting, Cannabinoids for Medical Use, a systematic review and meta-analysis JAMA. 2015;313(24):2456-2473 |
Tourette Syndrom |
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Penny F. Whiting, Cannabinoids for Medical Use, a systematic review and meta-analysis JAMA. 2015;313(24):2456-2473 |
1Am 23.6.2015 kommentierte das BAG in einer Stellungnahme zu der im JAMA veröffentlichten Studie: „Gute Belege bestehen für die Wirksamkeit von Cannabis bei der Behandlung von chronischen oder durch Krebs verursachten Schmerzen, sowie bei Muskelkrämpfen infolge Multipler Sklerose. Auch bei Übelkeit als Nebenwirkung einer Chemotherapie, bei Gewichtsverlust von Aidskranken, bei Schlafstörungen sowie dem Tourette Syndrom zeigten sich positive Auswirkungen. Die Studienergebnisse zeigen insgesamt ein vielversprechendes Heilmittelpotential".
2Neue Referenzen:
Bilbao A, & Spanagel R. Medical cannabinoids: a pharmacology-based systematic review and meta-analysis for all relevant medical indications
Busse JW, Vankrunkelsven P, Zeng L, Heen AF, Merglen A, Campbell F, et al.: Medical cannabis or cannabinoids for chronic pain: a clinical practice guideline